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In den Bildern mit dem Grauen auseinandergesetzt Gedächtnisausstellung mit Werken des in Karlstadt gebürtigen Malers Armin Mehling „Nein, ich habe auch heute noch keine Zweifel oder Schuldgefühle!“, antwortete der im Jahr 2008 verstorbene Maler Armin Mehling einmal auf die Frage einer niederländischen Fernsehjournalistin über seine Zeit als junger Kampfflieger im Zweiten Weltkrieg. Wenn man aber seine Arbeiten in der Ausstellung im historischen Rathaus in Karlstadt betrachtet, muss man zwangsläufig zu einer anderen Beurteilung kommen. Viele der „Bilder eines Überlebenden“ dort spiegeln eindeutig die Zerrissenheit der Seele wider. Sein langjähriger Freund und Nachlassverwalter Joachim Giessler räumt dies auch im Gespräch ein. Das nimmt auch nicht Wunder, wenn man sich die Biografie des gebürtigen Karlstadters vor Augen hält. Sofort nach dem Abitur wurde Armin Mehling 1941 zum Kriegsdienst als Jagdflieger eingezogen. Obwohl nach eigenen Aussagen unpolitisch, fügt er sich voll in die Kriegsmaschinerie ein. Er holt mindestens 30 gegnerische Flugzeuge vom Himmel und wird selbst sieben Mal abgeschossen und auch mehrmals verwundet. Als das große Morden endlich vorbei ist, ist er gerade 21 Jahre jung – er hat seine Jugend verloren. Sofort nach dem Krieg studiert Mehling Pharmazie, Philosophie sowie Kunstgeschichte und ist dann bis 1976 als selbstständiger Apotheker tätig. Aus gesundheitlichen Gründen muss er seine Berufstätigkeit aufgeben und widmet sich von da an zurückgezogen als freischaffender Künstler in der Nähe von Murnau seiner Malerei und der Musik bis zu seinem Tod im Jahr 2008. Das Auffallendste an den Bildern im Rathaussaal ist, dass nicht eines davon einen Namen, eine Unterzeile trägt; bestenfalls ist einmal eine Notiz für die Katalogisierung zu erkennen. Mehling sah niemals einen Grund für eine Benennung, bestätigte Giessler, der auch bei der Vernissage den Künstler vorstellte. Man sieht dann auch den Werken an, dass sie nicht für ein Publikum gemalt wurden, sondern ausschließlich für den Künstler selbst. „Er hat sich in seinen Bildern mit seinen Erlebnissen und dem Grauen auseinandergesetzt“, so der Freund. Auch in dem besagten Fernsehinterview gestand der Maler ein: „Ich bin ständig hinter mir her gelaufen und habe mich gesucht – meine Bilder zeigen die Suche nach dem anderen Lebensinhalt.“ Mehlings Bilder sind in der Regel von hoher Abstraktion. Da gibt es Landschaften, Eindrücke von den unendlichen Weiten über den Wolken aus der Sicht des Jagdfliegers – aber niemals taucht ein Mensch darin auf: „Ich will keine Menschen in meinen Landschaften sehen“, so Mehling. Auch die Musik ist ein Thema: stark abstrahierte Partituren, die nur der Maler selbst nachspielen kann. Von ganz besonderem Reiz aber sind die sensiblen Tuschpinselmalereien, die er selbst Psychogramme genannt hatte. Sie erinnern an chinesische oder japanische Schriftzeichen, die in höchster Präzision ausgeführt sind. Dazwischen gibt es aber auch Flecken zarter, fast poetisch anmutender Aquarellfarben. Die Arbeiten von Armin Mehling stellen hohe Anforderungen an den Betrachter: Sie können verunsichern, sie können auch in die Irre führen. Sie wollen auf alle Fälle in Ruhe aufgenommen werden, brauchen Zeit einzuwirken und verlangen die Offenheit. Die musikalische Begleitung der Vernissage hatte Christian Dunst am Flügel. Die Gedächtnisausstellung „Bilder eines Überlebenden“ ist bis zum 17. April zu sehen. Günter Roth
Main Post vom 03.04.2011
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